Keine Zentralisierung des Bundeskriminalamtes in Berlin - Deutscher Bundestag 85. Sitzung, 14. Januar 2004

28.01.2004

Bund

Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Minister,

Sie haben eine ergebnisoffene Prüfung zugesagt. Wir nehmen Sie beim Wort und nehmen Ihre Ankündigung ernst.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es keine Niederlage ist, wenn man sich korrigiert und durch Argumente zu einer anderen Einsicht und Meinung kommt. - Es wäre etwas Neues. Aber es würde von meiner Seite keine Häme geben. Im Dienste der Sache setzen wir darauf, dass Sie Argumenten zugänglich sind.

Auch wenn es schwer fällt - man muss sich disziplinieren -, will ich in den fünf Minuten meiner Rede in dieser Debatte meine Argumente ohne Schärfe vortragen. Darin liegt die Chance, eine andere Entscheidung im Innenministerium zu bewirken.

Ich möchte zunächst über den Maßstab der Entscheidung sprechen; es sind diesbezüglich schon viele Gesichtspunkte angeführt worden. Ich finde, der Maßstab dieser Entscheidung sind die Sicherheitserfordernisse der Bundesrepublik Deutschland.

Das ist der Maßstab, mit dem die Entscheidung beurteilt werden muss.

Allerdings wird diese Frage nicht abstrakt "Wenn es noch kein Bundeskriminalamt gäbe, wären wir dann der Auffassung, dass der richtige Standort Meckenheim, Wiesbaden oder Berlin wäre?" gestellt. Aus föderalen und funktionellen Gründen wäre ich der Auffassung, dass eine Zentralisierung falsch wäre. Aber das ist eine theoretisch-abstrakte Frage und nicht die konkrete Frage, die Sie zu beantworten haben.

Wir haben, wie Sie, Herr Bundesinnenminister, selbst sagen, ein exzellent funktionierendes Bundeskriminalamt. Es stellt sich also nicht die abstrakte Frage "Wenn es noch kein Bundeskriminalamt gäbe, wo würden wir es ansiedeln?", sondern die konkrete Frage "Was bringt der Umzug, mit dem eine Zentralisierung verbunden ist, und was bedeutet er für die Aufgabenerfüllung des Bundeskriminalamts?". Dabei muss man die Situation berücksichtigen, die nicht nur durch die Entscheidung selbst, sondern auch durch den Stil der Entscheidungsfindung und der Entscheidungsverkündung hervorgerufen wurde. Meine These ist, dass dieser Umzug - nach meiner Ansicht kann man das auf diesen Punkt reduzieren - eine Schwächung des Bundeskriminalamtes und damit eine Schwächung der inneren Sicherheit in Deutschland bedeuten würde.


Ich möchte dafür einige Gründe nennen:

Es wird beim Bundeskriminalamt - dort arbeiten kompetente Experten - einen Aderlass geben.

Viele von ihnen - gerade die besten - aus den wirtschaftsstarken Regionen Köln/Bonn und Rhein-Main werden diesen Umzug nicht mitmachen. Sie werden in diesen Regionen eine andere berufliche Perspektive finden.

Sie werden Jahre brauchen - das sage ich Ihnen aus der Erfahrung mit Umzügen auch in die andere Richtung -, bis Sie das Expertenwissen, die Fähigkeiten und die Kompetenz dieser erfahrenen Polizisten wieder bei neuen Kräfte aufgebaut haben. Sie werden das Bundeskriminalamt über Jahre schwächen.

Die jetzige Entscheidung und deren Stil haben die Motivation im Bundeskriminalamt auf den Nullpunkt gebracht. Darüber werden sicherlich auch Sie sich nicht freuen. Ich glaube, auch Sie werden in Ihrer bisherigen Amtszeit und darüber hinaus nicht erlebt haben, dass der Amtsleitung einer Behörde - hier einer Sicherheitsbehörde - in der Breite sowie drastisch und eindeutig artikuliert von der Belegschaft das Vertrauen entzogen worden ist.

Es ist ein einzigartiger Fall, wenn Polizisten, Experten und Beamte, die alle ihre Pflichten kennen, in der Öffentlichkeit erklären: Wir entziehen der Amtsleitung des Bundeskriminalamtes das Vertrauen. - Dieses Desaster haben Sie angerichtet.

Wenn Sie in dieser konkreten Situation - ich spreche nicht von abstrakten Fragestellungen - mit dem Kopf durch die Wand wollen, dann werden Sie die angerichtete Demotivierung ebenfalls über Jahre hinweg fortsetzen bzw. perpetuieren. Dies ist eine Schwächung des Bundeskriminalamtes in einer angespannten Sicherheits- und Bedrohungslage. Das ist nicht zu verantworten.

Ein weiteres Argument stimmt: Wenn es zu einem Umzug von 2 000 Beschäftigten kommt - bei Einzelnen fallen die Belastungen des Umzuges nicht auf -, dann wird sich dies ebenfalls auf die Funktionsfähigkeit des Amtes auswirken. Wenn eine so hohe Zahl von Beschäftigten nicht den Kopf frei hat, sondern mit dem Umzug, dem Hausverkauf, dem Schulwechsel der Kinder und dem Berufswechsel des Ehepartners beschäftigt ist, wenn das also ein Massenphänomen ist, schwächt das die Funktionsfähigkeit. - Ich spreche gerade von Erfahrungen aus Behördenumzügen in die andere Richtung. Nehmen wir diese Erfahrungen doch auf! - Auch das ist also eine Belastung im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Bundeskriminalamtes.

Ich komme zum letzten Punkt - er ist schon häufiger genannt worden -: Der Umzug kostet rund eine halbe Milliarde Euro. Das sind über 1 Milliarde DM; dieser Betrag ist für die Menschen noch immer plastischer. Sie können dieses Geld nicht durch Verschuldung aufbringen, sondern nur dadurch, dass Sie es aus der Investition in die materielle Sicherheit abzweigen. Das ist nicht verantwortbar im Hinblick auf die materielle Sicherheit und den überschuldeten Haushalt und nicht verantwortbar gegenüber den Beamten und der Bevölkerung. Den Beamten wird das Weihnachtsgeld gekürzt und das Urlaubsgeld gestrichen; auch bei den Bürgern werden Leistungen gekürzt.

Herr Minister Schily, Sie haben schriftlich geantwortet. Das Bundeskriminalamt mit seinen mehr als 5.000 Mitarbeitern gehört zu den effektivsten Sicherheitsbehörden. Als Teil der Bundespolizei genießt es national und international hohe Anerkennung.

Wir sind der Auffassung - das ist die tragende Begründung -: Nur wenn dieser Umzug unterbleibt, wird das BKA das bleiben, was es ist: eine effektive Sicherheitsbehörde mit internationaler Anerkennung. Darum sollten Sie Ihre Haltung korrigieren.