
Gemeinde/ Stadt
Haushaltsrede des Vorsitzenden der CDU-Ratsfraktion Hartmut Beckschäfer
(Es gilt das gesprochene Wort)
Wir alle kennen das Lamento dieser Tage zu den Kommunalfinanzen:
- Die deutschen Städte und Gemeinden stecken in einer Finanzkrise von historischen Ausmaßen.
- Das Defizit aller Kommunen beläuft sich dieses Jahr auf rund 15 Mrd. Euro und liegt damit etwa doppelt so hoch wie erwartet.
- Die Kommunalen Spitzenverbände beklagen lauthals die strukturellen Mängel der Gemeindefinanzverfassung – nicht ganz ohne Recht.
- So wird das Konnexitätsprinzip (will sagen: „wer bestellt, bezahlt") allzu oft missachtet. Das heißt, der Bund beschließt Leistungsgesetze mit Rechtsanspruch der Bürger, den die Kommune dann erfüllen „darf" – natürlich auf eigene Kosten. Beispiel: Anspruch auf Kindergartenplätze.
An diesen Themen muss auf Landes- und/oder Bundesebene gearbeitet werden. Das können wir als Kommunalpolitiker nicht unmittelbar bestimmen, wir können nur auf allen zur Verfügung stehenden Kanälen Druck machen. Das geschieht auch und zeigt durchaus erste Wirkung. Die alte Erkenntnis eines Freiherr vom und zum Stein, dass handlungsfähige Kommunen das Fundament eines tragfähigen Staatsaufbaus sind, kommt langsam wieder zu Ehren, dringt verstärkt ins allgemeine Bewusstsein vor und löst - bis hin zur Bundeskanzlerin - auch entsprechende Handlungsoptionen aus. So weit, so gut!
Allerdings ist Deutschland groß und Berlin ist weit! Düsseldorf und der Landesgesetzgeber sind zwar nicht ganz so weit, aber derzeit leider etwas ungeordnet! Daher ist unklar, ob und wann und in welchem Maße von dort Entlastung für die Kommen zu erwarten ist. In den Staatskassen von Bund und Ländern herrscht ja bekanntlich ebenfalls Ebbe.
Wie ein roter Faden scheint sich das Phänomen ständiger struktureller Defizite von den staatlichen Finanzen auf nationaler und europäischer Ebene bis zum Gemeindehaushalt durchzuziehen. Man gibt mehr aus, als man hat. Selbstverständlich immer im Interesse eines höheren Wertes – für mehr Gerechtigkeit, für mehr Bildung, für mehr Forschung, für mehr Infrastruktur, für mehr Gesundheit, für mehr soziale Sicherheit usw.
So sind die Ausgaben isoliert betrachtet in der Regel sinnvoll und gerechtfertigt. Passen sie in ihrer Summe aber nicht zur Summe der Finanzierungsmöglichkeiten, führt das über kurz oder lang unweigerlich zu dem jetzt allgemein beklagten Dilemma.
Aber schauen wir auf unsere eigene Verantwortung und unsere eigenen Handlungsmöglichkeiten. Schauen wir auf das eigentliche Thema der heutigen Ratssitzung, den Haushalt der Gemeinde Wachtberg für das Jahr 2010 und den Ausblick auf die mittelfristige Finanzplanung.
Dabei werde ich nicht in die Einzelheiten des Zahlenwerks einsteigen, dazu bestand Zeit und Gelegenheit in den Ausschüssen. Ich will vielmehr die strategische Grundentscheidung beleuchten, die wir heute treffen wollen.
Die Haushaltspolitik in Wachtberg ist seit Jahren gekennzeichnet durch einen kontinuierlichen Kurs der Konsolidierung, sparsamen Umgang mit den Haushaltsmitteln, Schuldenabbau und eine zukunftsgerichtete Infrastrukturpolitik. Wir hatten dazu hier im Rat in den letzten Jahren im Grunde auch ein gemeinsames Verständnis. Über die Haushaltsgrundsätze, insbesondere das Bekenntnis zum Schuldenabbau, waren wir uns einig. Es kam sogar vor, dass ein Haushalt im Rat einstimmig verabschiedet wurde. Der Bürgermeister hat in seiner Einbringungsrede darauf hingewiesen: das war 2005, als wir einvernehmlich in das damalige Haushaltssicherungskonzept eingestiegen sind.
Diese Politik hat auch positive Ergebnisse gezeitigt. Wir konnten z. B. Steuern und Abgaben lange Zeit auf einem günstigen Niveau halten. Und auch jetzt zahlt sich diese konservative Haushaltspolitik der vergangenen Jahre aus, denn wir stehen noch auf relativ festem Grund. Im Gegensatz zu vielen Gemeinden haben wir in Wachtberg eine reelle Chance, das Defizit unter die kritische Grenze zu drücken, und diese Chance wollen wir nutzen.
Dennoch: Als vor rund einem Jahr in diesem Rat der Haushalt 2009 verabschiedet wurde, formulierte unser damaliger Kollege Dr. Pfaffenbach: „Die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise zeichnet diesen Haushalt 2009 und sie wird vermutlich auch auf den Haushalt 2010 durchschlagen." Leider sollte er Recht behalten.
Der am 23. März 2010 vorgelegte Entwurf des Haushaltsplans endete mit einem Defizit von rund 4,9 Mio. Euro. Dabei hatte der Bürgermeister zusammen mit Kämmerer und allen Fachbereichen die vorangegangenen Wochen bereits genutzt, um alle Positionen mit spitzem Bleistift durchzurechnen. Und auch für 2011 lag die Prognose bei minus 4,3 Mio.Euro.
Nach den „knalllharten Regeln der Gemeindeordnung", wie der Bürgermeister damals formulierte, zeichnete diese Vorlage den Weg in das Haushaltssicherungskonzept und - da auch mittelfristig ein struktureller Ausgleich nicht erreichbar schien - in den Nothaushalt.
Was das bedeutet, ist in letzter Zeit hinlänglich beschrieben worden. Kurz gesagt: wir müssten unsere kommunale Selbstverwaltung im Kern begraben, das Heft des Handelns läge weitgehend in den Händen der Aufsichtsbehörde.
„Na und", wird mancher sagen. „Was ist schlimm daran? Da verlieren die Kommunalpolitiker halt eine Spielwiese!"
Das sehe ich anders. Ich meine, dass die Sache durchaus ernst ist und dass wir hier an einer entscheidenden Wegmarke für die zukünftige Entwicklung der Gemeinde stehen. Ein Nothaushalt bedeutet Verzicht auf jedwede freiwillige Leistung der Kommune, er bedeutet Genehmigungspflicht von Investitionen, und zwar nach Prioritäten, wie der Regierungspräsident sie für richtig hält. Und er bedeutet die Begrenzung von Kreditaufnahmen auf max. ein Drittel dessen, was wir jährlich als ordentliche Schuldentilgung leisten. Handlungsspielraum also gleich Null!
M. E. ist es auch von erheblichem Belang, wer Entscheidungen vor Ort trifft und wer sie verantwortet, gewählte Mandatsträger im Rat oder ein Beamter in der Bezirksregierung. Ihre Ratsmitglieder können die Bürger ansprechen, Vorschläge unterbreiten, Kritik anbringen. Ihnen begegnet man tagtäglich, sie sind als konkrete Person fassbar. Verantworten heißt hier wirklich auch noch antworten müssen - von Angesicht zu Angesicht. Ein Schreibtisch in Köln ist demgegenüber weit weg, und der Beamte an diesem Tisch bleibt anonym und ist den Bürgern keine Rechenschaft schuldig.
Auch aus Sicht des Rates geht es nicht um eine „Spielwiese", sondern um Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsbereitschaft. Denn gerade in diesen schwierigen Zeiten wäre es viel bequemer, vor der Situation zu kapitulieren, die Waffen zu strecken, das besagte Heft des Handelns bei der Aufsicht abzuliefern und sich der Verantwortung zu entziehen.
Vor diese Frage gestellt, waren sich alle Fraktionen des Rates und der Bürgermeister einig, diesen Weg nicht zu gehen, nicht zu resignieren, sondern sich daran zu machen, gemeinsam und einheitlich ein Maßnahmenpaket zu schnüren mit dem Ziel, uns möglichst vor dem Nothaushalt zu bewahren. Ein solches Paket liegt heute in Ergänzung des Haushaltsplanentwurfs neben den Änderungsvorschlägen der Fachausschüsse zur Beschlussfassung vor.
Die Einzelheiten daraus sind bekannt und auch schon öffentlich kommuniziert worden. Ich will sie daher nicht noch einmal alle auflisten. Im Ergebnis drücken sie im Haushaltsplan das Defizit für 2010 auf rund 4,3 Mio. Euro und für 2011 auf 3,5 Mio. Euro, und nach diesen Planzahlen wird der gefürchtete Nothaushalt vermieden.
Dieses Paket ist in mehrfacher Hinsicht ausgewogen. Es beinhaltet gegenüber dem schon eng geschnittenen Verwaltungsentwurf nochmalige Einschnitte auf der Ausgabenseite ebenso wie Einnahmeverbesserungen durch Erhöhung von Steuern, Abgaben und Gebühren. Es nimmt fast alle in die Pflicht: Verwaltung, Mandatsträger, Grundbesitzer, Gewerbetreibende, Eltern, Tierfreunde, Schwimmfreunde u.v.m. Und es hat uns allen irgendwo weh getan, dem einen mehr hier, dem anderen mehr da.
Vor allem aber ist es in einem offenen und fairen Dialog zwischen den Fraktionen und mit dem Verwaltungsvorstand entwickelt worden. Im Ergebnis hat dann der Finanzausschuss durch einstimmiges Votum das vorliegende Paket dem Rat zur Beschlussfassung empfohlen.
Ich halte dies für ein ermutigendes Zeichen. Darin beweisen sich eindrucksvoll die Fähigkeit und die Bereitschaft zu einer Verantwortungsgemeinschaft im Interesse eines übergeordneten Ziels. Dieses Ziel lautet, die Gestaltungsfähigkeit als solche für unsere Gemeinde zu bewahren. Da muss kleinlicher Streit hinten anstehen. Einigkeit im Ziel und Vernunft auf dem Weg dorthin haben Vorrang. Daher danke ich an dieser Stelle ausdrücklich den Ratskolleginnen und -kollegen und auch dem Bürgermeister und der Verwaltung, dass sie bereit sind, dieses Gemeinschaftswerk mitzutragen.
In diesem Sinne bitte ich auch die Wachtberger Bürger, diese Beschlüsse mitzutragen, auch wenn sie durch die Maßnahmen belastet werden.
Gleichermaßen bleiben wir als Mandatsträger verpflichtet, die Finanzen der Gemeinde weiterhin sorgfältig im Blick zu halten. Denn mit diesem einmaligen „Pusten" sind nicht alle Gewitterwolken für immer verweht. Die Lage bleibt schwierig und Konsolidierung steht weiter oben auf der Tagesordnung.
Auch der Kreis ist aufgefordert, seine Ausgaben in Schach und Proportionen zu halten und strikte Haushaltsdisziplin zu wahren; schließlich sind Kreis- und Jugendamtsumlage für uns die größten Ausgabeposten! Gleiches gilt für den Landschaftsverband, der seine Aufwendungen ebenfalls über den Kreis letztlich auf die Kommunen umlegt. Die eigene Verwaltung bitte ich darüber hinaus, im Haushaltsvollzug noch weitere Einsparungen zu versuchen.
Ich will nicht enden, ohne Dank zu sagen an die Gemeindeverwaltung für die Aufstellung des Haushaltsplans, vor allem an Kämmerer Wolf und seine Mitarbeiter, aber auch an den Bürgermeister, der die Initiative zu der fraktionsübergreifenden Kraftanstrengung ergriffen hat, um uns in Wachtberg handlungsfähig zu halten. Denn wir selbst wollen in Wachtberg die gestaltende Kraft bleiben.
In diesem Sinne wird die CDU-Fraktion dem Haushalt 2010 zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Verantwortlich: CDU Ratsfraktion)
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